Am 3. März 2021 hat das Oberste Volksgericht der Volksrepublik China die „Auslegung des Obersten Volksgerichts zur Anwendung von Strafschadensersatz in zivilrechtlichen Fällen der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums“ (im Folgenden als „Auslegung“ bezeichnet) herausgegeben. Die Auslegung enthält spezifische Bestimmungen über die Anwendung von Strafschadensersatz, insbesondere über die Bestimmung der Vorsätzlichkeit und der Schwere der Verletzung sowie die Bestimmung des Berechnungsgrundbetrags und des Multiplikators.
Diese Auslegung soll den chinesischen Gerichten auf allen Ebenen als Anleitung dienen, Strafschadensersatz in zivilrechtlichen Fällen korrekt anzuwenden und schwere Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zu bestrafen. Die Veröffentlichung der Auslegung ist ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung des Strafschadensersatzsystems in China und zeigt die Entschlossenheit des Obersten Volksgerichts sowie der chinesischen Regierung, den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums umfassend zu stärken.
Die Auslegung wurde im Folgenden vollständig ins Deutsche übersetzt:
Auslegung des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China zur Anwendung von Strafschadensersatz in zivilrechtlichen Fällen der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums
Um das Strafschadensersatzsystem für Rechte an geistigem Eigentum ordnungsgemäß umzusetzen, schwere Verletzungen von Rechten an geistigem Eigentum in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu bestrafen und den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum umfassend zu stärken, wird diese Auslegung, in Übereinstimmung mit dem Zivilgesetzbuch, dem Urheberrechtsgesetz, dem Markengesetz, dem Patentgesetz, dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, dem Saatgutgesetz, dem Zivilprozessgesetz der Volksrepublik China und andere relevante Gesetze und Vorschriften, kombiniert mit der Gerichtspraxis, ausgearbeitet.
Artikel 1
Behauptet ein Kläger, dass der Beklagte vorsätzlich seine ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte an geistigem Eigentum verletzt hat, und sind die Umstände schwerwiegend, und beantragt er, den Beklagten zu Strafschadensersatz zu verurteilen, soll das Volksgericht die Angelegenheit in Übereinstimmung mit dem Gesetz prüfen und behandeln.
Vorsatz im Sinne dieser Auslegung schließt die in § 63 Abs. 1 des Markengesetzes und § 17 Abs. 3 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb festgelegte Bösgläubigkeit ein.
Artikel 2
Verlangt der Kläger Strafschadensersatz, so hat er die Höhe des Schadensersatzes, die Berechnungsmethode sowie die Tatsachen und Gründe, auf denen der Anspruch beruht, anzugeben.
Fügt der Kläger den Anspruch des Strafschadensersatzes vor dem Ende der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz hinzu, soll das Volksgericht den Anspruch zulassen; wird der Anspruch auf Strafschadensersatz in der zweiten Instanz hinzugefügt, kann das Volksgericht eine Mediation nach dem Prinzip der Freiwilligkeit der Parteien durchführen, und wenn die Mediation scheitert, werden die betroffene Partei darauf hingewiesen, (bezüglich des Strafschadensersatzes) separat zu klagen.
Artikel 3
Bei der Feststellung der vorsätzlichen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums berücksichtigt das Volksgericht Faktoren wie die Art des verletzten Objekts des geistigen Eigentums, den Stand der Rechte und die Popularität der betreffenden Produkte sowie die Beziehung zwischen dem Beklagten und dem Kläger oder der betroffenen Person.
Unter den folgenden Umständen kann das Volksgericht zunächst feststellen, dass der Beklagte vorsätzlich geistige Eigentumsrechte verletzt hat:
(a) Der Beklagte setzt die Rechtsverletzung fort, auch nachdem er vom Kläger oder einer betroffenen Person benachrichtigt und verwarnt wurde;
(b) Wenn der Beklagte oder sein gesetzlicher Vertreter oder Verwalter des gesetzlichen Vertreters, Verwalter oder faktische Kontrolleur des Klägers oder der betroffenen Person ist;
(c) Wenn der Beklagte und der Kläger oder die betroffene Person in einem Arbeits-, Dienstleistungs-, Kooperations-, Lizenz-, Vertriebs-, Agentur- oder Vertretungsverhältnis stehen und mit dem verletzten geistigen Eigentumsrecht in Berührung waren;
(d) Der Beklagte und der Kläger oder die betroffene Person haben geschäftliche Beziehungen oder haben über den Abschluss von Verträgen etc. verhandelt und hatten Berührung mit den verletzten Rechten des geistigen Eigentums;
(e) Wenn der Beklagte Handlungen der Piraterie oder Fälschung von eingetragenen Marken begangen hat;
(f) Andere Umstände, die als vorsätzlich angesehen werden können.
Artikel 4
Bei der Feststellung der Schwere der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums berücksichtigt das Volksgericht die Art und Anzahl der Verletzungen, die Dauer, den geographischen Umfang, das Ausmaß und die Folgen der Verletzung, das Verhalten des Verletzers im Prozess und andere Faktoren.
Das Volksgericht kann feststellen, dass die Umstände schwerwiegend sind, wenn der Beklagte
(a) nachdem er wegen der Rechtsverletzung verwaltungsrechtlich bestraft oder durch eine gerichtliche Entscheidung haftbar gemacht wurde, dieselbe oder eine ähnliche Rechtsverletzung erneut begeht;
(b) die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums als Geschäftsmodell ausübt;
(c) Beweise der Rechtsverletzung verfälscht, zerstört oder verborgt;
(d) die Durchsetzung einer einstweiligen Verfügung verweigert;
(e) von der Verletzung erheblich profitiert oder einen erheblichen Schaden für den Rechtsinhaber verursacht; oder wenn
(f) die Rechtsverletzung die nationale Sicherheit, das öffentliche Interesse oder die persönliche Gesundheit gefährden könnte; sowie wenn
(g) andere Umstände bestehen, die als schwerwiegend angesehen werden können.
Artikel 5
Bei der Bestimmung der Höhe des Strafschadensersatzes legt das Volksgericht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Gesetzen die Höhe des tatsächlichen Schadens des Klägers, die Höhe des illegalen Einkommens des Beklagten oder den aus der Rechtsverletzung erlangten Vorteil als Berechnungsgrundbetrag zugrunde. Dieser Grundbetrag umfasst nicht die angemessenen Aufwendungen des Klägers zur Beendigung der Rechtsverletzung; wenn die Gesetze abweichende Reglungen haben, werden sie dementsprechend angewendet.
Wenn es schwierig ist, die Höhe des tatsächlichen Schadens, die Höhe des illegalen Einkommens oder den aus der Rechtsverletzung erlangten Vorteil zu berechnen, hat das Volksgericht die Höhe des Strafschadensersatzes unter Bezugnahme auf einen Multiplikator der Lizenzgebühr angemessen zu bestimmen und als Grundbetrag für die Berechnung der Höhe des Strafschadensersatzes zu verwenden.
Wenn das Volksgericht den Beklagten anweist, die in seinem Besitz befindlichen Bücher und Informationen in Bezug auf die Rechtsverletzung zur Verfügung zu stellen, und der Beklagte sich ohne rechtfertigende Gründe weigert, dies zu tun, oder falsche Bücher oder Informationen zur Verfügung stellt, kann das Volksgericht den Grundbetrag für die Berechnung der Höhe des Strafschadensersatzes unter Bezugnahme auf die Behauptungen und Beweise des Klägers bestimmen. Wenn die Tatbestände des § 111 der Zivilprozessgesetzes erfüllt sind, wird die rechtliche Verantwortung gemäß dem Gesetz untersucht.
Artikel 6
Bei der Festlegung des Multiplikators des Strafschadensersatzes gemäß dem Gesetz berücksichtigt das Volksgericht Faktoren wie den Grad des subjektiven Verschuldens des Beklagten und die Schwere der Rechtsverletzung.
Beansprucht der Beklagte, von dem Strafschadensersatz befreit zu werden, weil dieselbe Zuwiderhandlung bereits mit einer verwaltungsrechtlichen Geldstrafe oder einer strafrechtlichen Geldbuße geahndet wurde und deren Vollstreckung abgeschlossen ist, so unterstützt das Volksgericht diesen Anspruch nicht, kann ihn aber bei der Bestimmung des im vorstehenden Absatz genannten Multiplikators berücksichtigen.
Artikel 7
Diese Auslegung tritt am 3. März 2021 in Kraft. Wenn die einschlägigen gerichtlichen Auslegungen, die zuvor vom Obersten Volksgericht der Volksrepublik China herausgegeben wurden, nicht mit dieser Auslegung übereinstimmen, ist diese Auslegung maßgebend.
Über den Autor: Dr. Xiaopeng Zhao